Die Geschichte des Kleingärtnervereins Friedrichsgabe e.V. von 1947

Am 23. März 1947 wurde im, damals noch eigenständigen Dorf Friedrichsgabe, der Grundstein für den heutigen Kleingärtnerverein Friedrichsgabe e.V. von 1947 gelegt.
An jenem Tag fand die Gründungsversammlung des "Gartenbauvereins Friedrichsgabe" statt, wurde dem Verein eine Ordnung verliehen und wurden die ersten Ämter verteilt.

In dieser schwierigen Zeit nach dem zweiten Weltkrieg war die vornehmliche Aufgabe des Vereins, "die Ernteschlacht zu forcieren" und sich unabhängig auf dem Gebiet der Gemüseerzeugung zu machen.

Die neue Gartenanlage wuchs, nicht weit der ursprünglichen Hauptstraße des kleinen Dorfes, der Quickborner Straße, an der Lawaetzstraße.
Im Laufe der Zeit entwickelte sich die Koppel Lawaetzstraße mit ihren kleinen Holzhütten, einem dichten Obstbaumbestand und den bunten Blumenbeeten zu einem Kleinod Friedrichsgabes.

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Niederschrift des ersten Versammlungsprotokolls Niederschrift des Gründungsprotokolls Paul Rothe, erster stellvertretender Vorsitzender des Vereins

Ab 1966 siedelte sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Koppel Lawaetzstraße der Maschinenbauer Jungheinrich an, ebenso entstand im Laufe der Zeit das Waldstadion Norderstedt Friedrichsgabe, welche den Kleingärtnern besten Ausblick auf die dort stattfindenden Fußball- und später auch American-Football-Spiele bot.Dass in den an das Stadion angrenzenden Kleingärten ab und an anstatt runder Kohlköpfe runde Bälle lagen, war eine amüsante Nebenwirkung dieser sonst guten Nachbarschaft.

Durch diese Ansiedlungen wurde allerdings auch klar, das Norderstedt und damit Friedrichsgabe unaufhörlich wuchs.
Viele Neubürger sehnten sich nicht nur nach Wohnen im Grünen, sondern wollten auch auf der eigenen Scholle ihr eigenes Gemüse und Obst anbauen.

So wurde im Jahr 1972, nicht weit von der Koppel Lawaetzstraße, die Koppel Dreibekenweg angelegt.

Hier wiederholte sich das Spiel, welches bereits die Kleingärtner der ersten Generation durchgemacht hatten.
Der Boden musste urbar gemacht, die wilde Natur in ihre Schranken gewiesen und eine ordentliche Kleingartenkoppel angelegt werden.
Und auch hier entwickelte sich eine Gemeinschaft, die diese Aufgaben mit viel Enthusiasmus und Tatkraft anging.

Der erste Ableger des Kleingärtnervereins war erfolgreich angewachsen.

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Impressionen der Koppel Dreibekenweg
 
Durch das Wachstum Norderstedts und seiner Industrie- und Gewerbegebiete, die alte Quickborner Straße war längst nicht mehr Ortsmittelpunkt, strömten nicht nur immer neue Einwohner in die Stadt sondern kamen auch neue Nationalitäten hinzu, welche ebenfalls ihr Glück auf einem kleinen Fleckchen eigenen Grüns suchten.

Die Erfolgsgeschichte des Kleingärtnervereins, welche 1947 begann und sich 1972 fortsetzte führtein dieser Zeit wieder zu Platzproblemen.Viele Pachtanfragen, wenige freie Gärten - wer nicht aus gesundheitlichen oder Altersgründen nicht mehr in der Lage war, seinen Garten weiterzuführen, hütete seinen Kleingarten wie seinen Augapfel.Um diesem Platzproblem entgegenzuwirken, wurde im Jahr 1986 die dritte Koppel des Kleingärtnervereins, am Pilzhagen 1, ehemals Waldbühnenweg, angelegt.
Diese Koppel, welche zwischen der Lawaetzstraße und dem Dreibekenweg liegt, spiegelte bei ihrer Anlage ein sich über die Zeit geändertes Verständnis des Kleingartens wider.
War in den Anfangsjahren noch die maximale Ausnutzung des zur Verfügung stehenden Platzes für die Anlage von Beeten zur Selbstversorgung ausschlaggebend, wandelte sich die Sicht auf den Kleingarten im Laufe der Zeit vom reinen Nutzgarten hin zum Freizeitgarten.Dieser Entwicklung wurde in der neuen Koppel Pilzhagen 1 durch die Anlage breiter Wege mit großzügigen Rasenrändern und eingestreuten Obstbäumen Rechnung getragen.
Ein Vereinsheim mit großer Terrasse und Spielplatz, Hecken und später auch Gemeinschaftsbeete lockerten den Grundriss der Koppel auf und sorgten für eine entspannte Atmosphäre, die nicht nur zum Wühlen in der Erde sondern auch zum entspannten Genießen der Natur einlud.
Genau wie in den zwei anderen Koppeln entwickelte sich Pilzhagen 1 mit endlosen Stunden des Unkrautzupfens, vielen gemeinsamen Arbeitseinsätzen und dem Engagement der Gartengemeinschaft zu einem Erfolgsprojekt.
Auch dieser zweite Ableger des Kleingärtnervereins war erfolgreich angewachsen.
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Impressionen der Koppel Pilzhagen 1
 
Das anhaltende Wachstum Norderstedts führte zur Jahrtausendwende zu einem Verkehrsproblem.
Immer mehr Fahrzeuge nutzten die Ulzburger Straße, die von Hamburg kommend als Hauptstraße über Norderstedt in Richtung Henstedt-Ulzburg und Kaltenkirchen führte.
Auch wurde die Straße gerne als Ausweichroute für die nahe A7 genutzt, was regelmäßig zu Verkehrsproblemen in Norderstedt führte.

Aus dieser Situation heraus wuchs die Notwendigkeit einer Stadtumgehung, die vom Friedrichsgaber Weg kommend über die neue Oadby-und-Wigston-Straße zur Lawaetzstraße, vorbei an den dichtbebauten Wohngebieten im Norderstedter Norden führend, den Verkehr schnell in Richtung Autobahn führen konnte.

Dem im Weg stand allerdings das Friedrichsgaber Waldstadion und damit auch die Koppel Lawaetzstraße, sah die Planung doch eine Trasse direkt durch die Kleingärten vor.
In langen Diskussionsrunden, in Gesprächen mit Betroffenen und nicht zuletzt durch den Einsatz des Vereinsvorstandes und dem Willen der Stadt, etwas Gutes nicht zerstören zu wollen, konnte eine positive Einigung für die Kleingärtner gefunden werden.

Während das Friedrichsgaber Waldstadion umgebaut wurde, zog der Kleingärtnerverein Friedrichsgabe kurzerhand einfach um.
Die Koppel Lawaetzstraße, der Ursprung des Gartenbauvereins, musste aufgegeben werden.
Dafür entstand ab 2015 in unmittelbarer Nachbarschaft zur Koppel Pilzhagen 1 die Koppel Pilzhagen 3, idyllisch am Waldrand gelegen.

Die Aufgabe der Koppel Lawaetzstraße, war sie doch die Gründungskoppel, verlief natürlich nicht emotionslos.
Viele der alteingesessenen Kleingärtner fühlten sich zu alt, um noch einmal ganz von vorne zu beginnen und akzeptierten das Angebot der Stadt, statt Umzug eine Abfindung für ihre Parzellen anzunehmen.
Beim Abriss der alten Gartenlauben, bei der Fällung der alten Obstbäume und nicht zuletzt, als die Bagger das alte Vereinshaus dem Erdboden gleich machten, floss sicher die ein oder andere Träne.

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Mit schwerem Gerät werden die Lauben in der ehemaligen Koppel Lawaetzstrasse dem Erdboden gleich gemacht. Neubau der Koppel Pilzhagen 3 Neubau des Vereinsheims auf der Koppel Pilzhagen 3
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Diese über 50 Jahre alte Blutbuche stand ursprünglich in der Mitte der Koppel Lawaetzstraße vor dem Vereinsheim.
Sie ist nun das letzte sichtbare Überbleibsel der Gründungskoppel und steht am Rande des ausgebauten Friedrichsgaber Waldststadions nicht weit der neuen Lawaetzstraße.
  
     

Doch die Kleingärtner, die auf die neue Koppel zogen, bereuten ihren Schritt nicht.

Dank der großzügigen Planung der Stadt Norderstedt entstand auf einem ehemaligen Getreidefeld eine große Anlage mit neuem Vereinshaus, großzügigen Gemeinschaftsflächen, einem großen Spielplatz und einer modernen Inselparzellierung, die für interessante Sichtachsen sorgt.
Durch ihre Lage zwischen den zwei Koppeln Dreibekenweg und Pilzhagen 1 erwuchs mit der Koppel Pilzhagen 3 ein neuer Mittelpunkt des Kleingärtnervereins.

Aber auch hier wiederholte sich das Spiel, wie schon in den Koppeln zuvor: Vor dem Spaß kam die Arbeit, und so begannen auch hier die alten und neuen Kleingärtner mit langen Stunden des Unkrautzupfens, des Kampfs gegen die Getreidesprossen und dem Anlegen neuer Gärten.

Da etliche der Lawaetzstraße-Kleingärtner nicht mitgezogen waren, ergab sich nun Platz für neue Parzellenpächter.
Viele junge Familien mit Kinder nutzten das Angebot und begannen mit dem Aufbau ihrer Gartenlauben, Gewächshäuser, mit dem Pflanzen von Bäumen und dem Umgraben ihrer Scholle.

Das geänderte Bild des Kleingartens, weg vom reinen Nutz- zum Freizeitgarten wurde in der neuen Anlage Pilzhagen 3 noch um die ökologische Komponente erweitert.
War der Kleingarten seit jeher ein Hort unterschiedlicher Pflanzen und verschiedener Tiere, von lauten Sumsen und leisem Brumsen, so wurde der ökologische Aspekt dieses Biotops als Ort umfangreicher Artenvielfalt, als Temperaturbrücke zwischen warmer Stadt und kühlem Wald und auch als Erholungsort, nur wenige Gehminuten vom Stadtzentrum am Rantzauer Forst gelegen, noch mehr herausgehoben.

Getreu dem aktuellen Motto des Kleingärtnervereins „naturnah Gärtnern in Norderstedt“ wird vor Allem auf der Koppel Pilzhagen 3 viel Wert auf die ökologischen Gesichtspunkte des Kleingärtnerns gelegt.
Chemie ist hier gänzlich verboten, Ungezieferbekämpfung erfolgt natürlich durch Nützlinge oder Komplementärpflanzen, Komposter finden sich auf jeder Parzelle.
Verschiedene alte Obstarten säumen den Parkähnlich geschwungenen Hauptweg der Koppel.
Blühstreifen auf den Gemeinschaftsflächen und in den Gärten bieten Bienen und anderen Insekten einen reich gedeckten Tisch.

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Impressionen der Koppel Pilzhagen 3

Als der Kleingärtnerverein Friedrichsgabe im Jahr 2017 seinen siebzigsten Geburtstag feierte, konnte die Kleingärtner mit Stolz auf zurückblicken.
Es war ihnen gelungen, in einem steten Auf und Ab ihren Kleingärtnerverein durch verschiedenste Epochen zu bringen, stetig zu wachsen und sich in Norderstedt, auch über die Grenzen des Stadtteils Friedrichsgabe hinaus, als Verein zu etablieren.

Daran konnte auch die im Jahr 2020 ausgebrochene Coronapandemie nichts ändern.
Einmal mehr zeigte sich, dass der vielbelächelte, angestaubte Kleingarten auch in der modernen Welt seine Daseinsberechtigung hat, denn die Anfragen nach einem kleinen Stück vom großen Glück schossen durch die Decke.
Die Kleingärtner, die eine Parzelle bewirtschafteten, konnten sich glücklich schätzen und verbrachten viel Zeit in ihren Gärten, werkelten hier und gruben dort.

Das führte im Jahr 2021 zum Gewinn des Landeswettbewerbs „Garten Total : Stadtgrün trifft auf Ernteglück“.
Der Kleingärtnerverein wurde damit nicht nur für sein ökologisches und soziales Engagement in Norderstedt belohnt sondern qualifizierte sich für den Bundeswettbewerb und wird das Land Schleswig-Holstein im Jahr 2022 im bundesweiten Vergleich der Kleingärtnervereine vertreten.

Es wird also auch in Zukunft nicht ruhig werden an der Lawaetzstraße, am Pilzhagen und dem Dreibekenweg in Norderstedter Stadtteil Friedrichsgabe, wo aus der Not heraus im Jahr 1947 ein außergewöhnlicher Kleingärtnerverein entstand, der heute in eine spannende Zukunft schaut.